Roter Stern gegen Partizan, das „Ewige Derby“ in Serbiens Hauptstadt Belgrad, eines der hitzigsten Fußballduelle Europas, wenn nicht gar weltweit. Die Vorfreude war groß, als man sich am Vorabend des großen Spiels zu viert im Opel Corsa auf den Weg machte und den Navigationscountdown beim Stand von rund 1.350 Kilometern in Gang setzte. Süddeutschland, Österreich und Ungarn waren in der Dunkelheit der Nacht durchquert worden, ehe im dichten morgendlichen Spätherbstnebel ein Grenzer mit dem Doppeladler auf der Uniform die bedrückende Atmosphäre an der ungarisch-serbischen EU-Außengrenze ein wenig aufzuhellen vermochte. „Ah… Derby!“, lautete sein schelmischer Kommentar zu unserem Reiseziel, was uns vor den letzten rund 200 verbliebenen Kilometern noch einmal zusätzlich erheiterte. In der serbischen Metropole angekommen führte der erste Weg dann auch schnurstracks zum Marakana, wie das Stadion Crvena Zvezda aufgrund seiner so behaupteten architektonischen Ähnlichkeit zum Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro liebevoll auch genannt wird. Zur frühen Stunde waren hier bereits einige stabile Gestalten unterwegs, doch weder der Erwerb unserer 10.000 RSD teuren Haupttribünenkarten, noch ein kleiner Schwenk durch den Delije-Laden oder das Schießen einiger Leerfotos während laufender Choreovorbereitungen weckten irgendeine Form von Argwohn. Nach dem erfolgreichen Erledigen aller Aufgaben war es dann höchste Zeit, die Segel in Richtung Omladinski Stadion, der Heimspielstätte von OFK Beograd zu setzen, denn der fußballerische Aufgalopp sollte bereits gute drei Stunden vor der Schlacht der Schlachten mit einem die Massen etwas weniger elektrisierenden Schaulaufen starten.
OFK Beograd – FK Čukarički 4:1
Dass die Zurückhaltung im Stadionumfeld allerdings dermaßen grassieren würde, damit war nicht zu rechnen, und auch uns wenigen Interessierten wurde zunächst einmal der Zugang versperrt. Gähnende Leere, geschlossene Kassen, Geisterspiel lautete die so simple wie ärgerliche Erklärung für die gespenstische Ruhe, verhängt aus unbekannten Gründen. Kein guter Start ins Fußballprogramm des Derbytags, doch immerhin war der Stadioneinlass trotz außergewöhnlich hohen internationalen Andrangs und der Kurzfristigkeit unseres Vorstelligwerdens nur Verhandlungssache. Wohl mehr deutsche als serbische Kollegen der tatsächlichen und fiktiven Berichterstattung waren es kurioserweise, die dem Vorgeplänkel letztlich beiwohnten. Dem gemeinen OFK-Fan blieb hingegen nichts anderes übrig, als den zu keiner Zeit gefährdeten Heimsieg seiner Mannschaft bei Nieselregen von außerhalb zu beklatschen.
FK Crvena Zvezda – FK Partizan 1:2
Ein Taxi musste her, um bei stärker werdenden Niederschlägen durch die grauen Wohnblöcke von Belgrad so schnell wie möglich zum Marakana zurückzukehren. Je näher wir dem größten Stadion Serbiens kamen, desto massiver und martialischer wurde das Polizeiaufgebot, desto größer die Anzahl junger Männer in schwarzer Kleidung, desto sportlicher der durchschnittliche Haarschnitt. Dennoch blieb soweit erkennbar alles ruhig und wir begaben uns ins Innere des erhofften Hexenkessels. Die beiden Kurven waren bereits ordentlich bevölkert und verzeichneten bis zum Anpfiff regen Zulauf, während die dem Regen ausgesetzten unteren Bereiche der Haupttribüne und Gegengerade größtenteils verwaist blieben. Am Ende dürften es trotzdem über 30.000 Zuschauer gewesen sein, die dem entgegengefieberten Lokalduell einen würdigen Rahmen verleihen sollten. Erste akustische Duftmarken aus dem Gästeblock, immer wieder begleitet von in den Innenraum geschleuderten Sitzschalen, wurden mit einem gellenden Pfeifkonzert und brachialen Hassgesängen gekontert. Es war angerichtet für das 137. Večiti Derbi Roter Stern gegen Partizan. In der Kurve der Delije kam zum Intro zunächst lediglich eine kleine runde Blockfahne zum Vorschein. Gegenüber gingen die Grobari hingegen gleich in die Vollen, begrüßten beide Mannschaften mit einem Meer aus weißen Wurfrollen und entzündeten dahinter ein imposantes Feuerwerk aus Breslauern, Blinkern, Bengalos und Böllern. Nun nahm auch die Heimkurve an Fahrt auf, vollendete ihre Choreografie mit roten und weißen Fähnchen und erhöhte die Lautstärke um ein Vielfaches. Minutenlang Tausende Fahnen mit vereinzelter Pyrotechnik auf der einen Seite, geschlossene Hüpfeinlagen auf der anderen – und dann das erste Mal Ekstase. Bereits in der 4. Spielminute ging der Vorjahresmeister mit 0:1 in Führung, brachte sich unmittelbar vor der Halbzeitpause mit einem Eigentor sowie kurz nach dem Wiederanpfiff mit einem Platzverweis für den gleich doppelten Unglücksraben jedoch selbst in Verlegenheit. Der Rote Stern schien nun obenauf zu sein, ein paar Fackeln wurden angerissen, derbe Schlachtrufe und geschlossene Klatscheinlagen gen Spielfeld geschmettert, doch mitten in der Drangphase der Heimelf gelang Partizan trotz eigener Unterzahl in sehenswerter Weise der erneute Führungstreffer. In der Gästekurve brachen nun alle Dämme. Zunächst wurde die gerade vorbereitete Choreo bestehend aus einem Zettelmuster und überdimensionalen Doppelhaltern mit dem Schriftzug „НУСКНВП“, die Abkürzung für den Grobari-Slogan „Lass jeden sterben, der Partizan nicht mag“, gezeigt. Auf der Tartanbahn hatte die knallgelb gekleidete Feuerwehr inzwischen bereits einen ansehnlichen Berg herausgetretener Sitzschalen angehäuft, doch nun begannen die Abrissarbeiten der Totengräber am Stadion von Roter Stern erst richtig. Je näher der Abpfiff rückte, desto mehr Freudenfeuerchen wurden überall im feiernden Block verteilt gezündet. Hier und da loderten nach und nach stattliche Brände, welche die Brandschutzmeister vom Innenraum aus mit Wasserschläuchen zu bekämpfen versuchten. Diese Aktion rief neben einem neuerlichen Sitzschalenhagel einige ganz Hartgesottene auf den Plan, die sich bei durchaus schon winterlichen Temperaturen oberkörperfrei schützend vor die Flammen stellten. So war auf den Rängen wie zu erwarten mehr geboten als auf dem Rasen, wo das Spiel mehr und mehr vor sich hinplätscherte und Partizan im Stile einer Spitzenmannschaft den knappen Vorsprung über die Zeit rettete. Schluss, aus und vorbei. Der prestigeträchtige Sieg über den verhassten Erzrivalen wurde in und vor dem Gästesektor denn auch gebührend gefeiert, wo sich einige Gästespieler in Italienmanier bis auf die Unterhose entblätterten und der Derbytriumph so manchem der Akteure emotional sichtlich naheging. Partizan dürfte somit auf wie abseits des Platzes als Sieger dieses Tages hervorgegangen sein.
Am folgenden Morgen war bereits wieder der Zeitpunkt des Abschieds gekommen, doch eine fußballfreie Rückfahrt sollte es selbstverständlich auch nicht werden. Die Qual der Wahl trieb uns ins slowakische Städtchen Nitra, ein Spielort mit überschaubarem Umweg.
FC Nitra – MFK Dubnica 0:1
Im einzigen Sonntagsspiel in der slowakischen Eliteliga traf der heimische FC Nitra auf den MFK Dubnica. Hinsichtlich des Zuschauerinteresses ein ordentliches Kontrastprogramm zum Derbyspektakel am Vortag, doch das Štadión pod Zoborom war den Besuch trotzdem wert und verfügte im Hintergrund mit der Nitriansky Hrad, der Burg von Nitra, über einen netten Blickfang. Der entscheidende Treffer der Partie fiel bereits in der 28. Spielminute, als die Gäste aus dem nahen Dubnica nad Váhom jubeln durften und fortan alle Gegenangriffe der Heimelf erfolgreich abwehrten. Alles in allem der abrundende Ausklang einer sauberen Tour, die irgendwann zwischen Sonntagnacht und Montagmorgen in den heimischen Gefilden ihr Ende fand.